Kutter und Luther: Die PCK-Herbstfahrt 2016

geschrieben von Moritz

Kutter und Luther: Die PCK-Herbstfahrt 2016

Die diesjährige Herbstfahrt führte uns an die ehemalige innerdeutsche Grenze. Auf der Werra mäanderten wir zwischen Hessen und Thüringen hin und her und legten insgesamt rund 70 Kilometer zurück. Leider zeigte sich das Wetter nicht von seiner besten Seite. Schließlich flohen wir vor Regen und Kälte. Und landeten dabei an einer Stätte, die schon einem der Größten der deutschen Geschichte Zuflucht geboten hatte.

Der Lager- und Wetterkoller kam am dritten Abend. Unser Lager hatten wir im thüringischen Mihla aufgeschlagen, etwa 20 Kilometer von Eisenach entfernt. Drei Tage waren wir schon auf der Werra unterwegs gewesen, die Temperaturen eisern unter der Zehn-Grad-Marke, begleitet von feinstem, alles durchdringendem Nieselregen. Da half auch keine Bewegung auf dem Wasser mehr. Eher im Gegenteil. Erstmals seit 1989 kamen in Thüringen wieder Fluchtgedanken auf. Zurück in den Westen! Aber schnell!

Wie Deutschland vor 27 Jahren stand auch der PCK vor einer gefährlichen Situation. Würde es zur Eskalation kommen? Zum Glück reagierte die Teamleitung besonnen und tat das einzig richtige: Sie zwang die Aufständischen zum Bleiben, wickelte sie in ihre Schlafsäcke und sperrte sie ins Mannschaftzelt. Der Aufstand war bezwungen. Das Friedensangebot kam am nächsten Tag. Mit warmem Kakao und frischen Brötchen hob man die Stimmung. Als dann noch dazu ein paddelfreier Tag in Aussicht gestellt wurde, brach kollektiver Jubel aus. Derart euphorisiert ließen sich unsere jungen Paddler sogar dazu überreden, mitten in den Ferien was für den Geschichtssunterricht zu tun. Ein Ausflug zur Wartburg versprach Kulturprogramm, aber vor allem Wärme, Schutz vor Regen und ein wenig Abwechslung zur träge dahinfließenden Werra.

Die hatten wir uns in den vorhergehenden Tagen schon erarbeitet. Das schlechte Wetter mag bei dem ein oder anderen den Blick auf die schöne Landschaft am Rande des Rothaargebirges verstellt haben. Aber das an dieser Gegend noch nicht vom Kalibergbau zerfurchte Werratal bietet durchaus einige Höhepunkte. Unsere erste Etappe führte uns von Lauchröden zum KC Hörschel. Abwechslungsreich und mit ordentlicher Fließgeschwindigkeit mäandert die Werra hier durch ihr Tal, vorbei an der Burgruine Fürstenberg. Zum Warmwerden schon mal nicht schlecht.

Am nächsten Tag ging es weiter in Richtung Mihla. Direkt nach dem Einstieg wartete das erste Wehr auf uns. Umtragen war kein Problem. Die Werra ist insbesondere im Sommer ein beliebter Fluss für Freizeitpaddler. Ein- und Ausstiege sind nicht nur an den Wehren gut sichtbar und ordentlich befestigt. Auch in den Ortschaften finden Paddler überall Stege, an denen sich auch Kanadier gut zu Wasser lassen. Auch am zweiten Tag passierten wir eine Burganlage. Die Creuzburg im gleichnamigen Ort ist sicherlich eine Besichtigung wert, wenn man die Zeit dafür hat. Wir mussten allerdings weiter. Unter einer Brücke bringt ein kleiner Schwall etwas Abwechslung in die ansonsten eher langsam fließende Werra. Die Kids freuen sich über ein wenig “Action”, die Erwachsenen haben eher Augen für die originalgetreu restaurierte Brücke aus dem 14. Jahrhundert, die den Ort mit einer kleinen, mittelalterlichen Kapelle verbindet. Bei besserem Wetter wäre das hier ein sensationeller Foto-Spot.

In Mihla werden wir freundlich bei den Wassersportfreunden aufgenommen. Im Bootshaus werden steif gefrorene Finger aufgetaut. Danach staunen wir über das massige Ruderboot, das am Steg festgemacht ist. Es ist ein sogenannter Kutter. Der Kahn bringt locker eine Tonne auf die Waage. Vor allem in Ostdeutschland sind Kutterrennen sehr populär bei Wassersportlern. Seesport nennt sich das. Dazu gehören noch weitere Disziplinen, etwa Kuttersegeln, die alle ihren Ursprung in der Marine haben. Sieht spektakulär aus, wir bleiben dennoch unseren Kajaks und Kanadiern treu.

Am nächsten Tag geht es weiter nach Treffurt. Die für Neulinge etwas verwirrende Werra-Kilometrierung bringt auch uns durcheinander. Bei Frankenroda beginnt die amtliche Zahlweise und die Werra startet quasi “neu” bei Kilometer 1. Der Flussführer zählt bis dahin die Kilometer von der Quelle runter. Wir unterschätzen dadurch die Länge der Etappe. Am Ende des Tages haben wir stattliche 19 Kilometer auf dem GPS stehen. Nass, durchgefroren und ausgelaugt kehren wir zurück nach Mihla. Die entkräftete Truppe braucht einen Ruhetag, das ist klar. Also auf zur Wartburg.

Die gut erhaltene Burg aus dem 11. Jahrhundert ist seit 1999 Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Obwohl sie eine fast 1000-jährige Geschichte hat, ragen zehn Monate aus der Historie heraus. Vom Mai 1521 bis März 1522 versteckte sich Martin Luther hier vor den Häschern von Kaiser und Papst. Die wollten den Kirchenreformator mindestens gefangen, wenn nicht besser tot sehen. In Eisenach versteckte er sich zehn Monate, übersetzte in der Zeit das Neue Testament vom Griechischen ins Deutsche. Der Geschichtsunterricht und die Pause tun der Moral jedenfalls gut. Dass wir beim Eschweger Kanu-Club im warmen Bootshaus übernachten können, schadet sicher auch nicht.

Am nächsten Tag reichen die Kräfte für eine letzte Werra-Etappe von Wanfried bis Eschwege. Diesmal lässt sich sogar die Sonne blicken, so dass eine sehr herbstliche Herbstfahrt versöhnlich endet.

Zurück